Franziska Seifert

Raum und Zeit für Künstlerinnen

Mehr Sichtbarkeit für Frauen und ihre Kunst: Das Programm „Women Artists in Residence“ der Cordts Art Foundation von Bildhauerin Franziska Seifert ermöglicht es Künstlerinnen aus aller Welt, für mehrere Monate auf der Insel Schwanenwerder zu leben und zu arbeiten. 

„Frauen sind in der Kunst unterrepräsentiert“, sagt Franziska Seifert. Das klingt zunächst wie eine nüchterne Feststellung, doch wie sie es sagt, schwingt die Entschlossenheit mit, daran etwas zu ändern. Und genau das macht die Stifterin: Ihr Beitrag zu mehr Sichtbarkeit für Frauen in der bildenden Kunst, für Musikerinnen, Schriftstellerinnen und andere Vertreterinnen kreativer Berufe liegt auf der Havelinsel Schwanenwerder. Dort, an der Klaren Lanke, befindet sich das ehemalige Sommerhaus ihrer Mutter. Die Bildhauerin Seifert brachte das Anwesen in die gemeinsam mit ihrem Mann Tim Cordts gegründete Cordts Art Foundation ein und verwandelte den Ort in ein Zuhause auf Zeit, das den Künstlerinnen beste Voraussetzungen für kreatives Schaffen bietet. 2019 öffnete Franziska Seifert zum ersten Mal die Türen des Hauses für die Öffentlichkeit – mit einer Ausstellung eigener Werke.

Ihr künstlerischer Weg habe sie von der Zeichnung zur Bildhauerei geführt, sagt die Stifterin und berichtet von ihren regelmäßigen Arbeitsaufenthalten in Asien und Ozeanien. „Seit 18 Jahren reise ich nach Indonesien“, sagt Franziska Seifert, „in Asien habe ich auch damit begonnen, mit Tropenhölzern zu arbeiten.“ Weitere bevorzugte Materialien für ihre Skulpturen, die im Atelier in Hamburg-Wilhelmsburg entstehen, sind Sandstein und Tiefengestein aus dem ostafrikanischen Grabenbruch.

Das Eintauchen in andere Kulturen und der damit einhergehende Kontakt zu Kunstschaffenden und Entscheidern habe ihr Netzwerk enorm bereichert, was „Women Artists in Residence“ nun besonders zugutekomme. Dennoch gehe dem Aufenthalt eine wochen-, manchmal monatelange Vorbereitung voraus, stets abhängig von der individuellen Lebenssituation der Künstlerin. „Wir kümmern uns um alles, von Visum und Flug über das Material bis zu einem gefüllten Kühlschrank und dem BVG-Ticket“, sagt Franziska Seifert, „und wir bürgen gegenüber der Ausländerbehörde für unsere Stipendiatinnen. Damit ermöglicht die Stiftung den Aufenthalt auch Künstlerinnen, denen dafür keine eigenen Mittel zur Verfügung stehen.“ Wie lange der Aufenthalt in Deutschland dauere – das Angebot liegt zwischen zwei und zehn Monaten –, hänge stark von den privaten Umständen der Künstlerinnen ab. „Wer kleine Kinder hat, entscheidet sich eher für ein kürzeres Stipendium“, sagt Franziska Seifert. „Besuche der Familie sind selbstverständlich möglich, aber es ist nicht Sinn von ‚Women Artists in Residence‘, dass die Familie die ganze Zeit dort verbringt. Die Künstlerinnen sollen Raum und Zeit für sich selbst und ihre Kreativität haben.“

Wie gut „Women Artists in Residence“ angenommen wird, zeigt die Zahl der Interessierten: Mehr als 80 Bewerbungen liegen derzeit bei der Stifterin auf dem Tisch. „Diese Liste müssen wir leider auf 20 Bewerbungen reduzieren, dann entscheidet das Kuratorium, wer das Stipendium erhält.“ Damit sei allerdings nicht garantiert, dass es wirklich zu einem Arbeitsaufenthalt komme, sagt Franziska Seifert. Sie berichtet von einer Künstlerin aus Nigeria, die ihr Stipendium nicht antreten konnte: „Wir waren fassungslos. Sie arbeitet im eigenen Atelier, hat vier kleine Kinder. Trotzdem scheiterte der Antrag auf ein Visum mit der Begründung, sie könnte sich vielleicht gegen die Rückkehr in ihre Heimat entscheiden.“

Und dann, wenn die Kunstschaffende ihr Domizil auf Schwanenwerder bezogen hat, wie groß sind die Erwartungen seitens der Stiftung? „Wir freuen uns natürlich, wenn wir am Ende des Aufenthalts zur Ausstellung, zum Konzert oder zur Lesung einladen dürfen“, sagt die Stifterin, „aber wir machen keinen Druck in diese Richtung. Das würde das Ziel vollkommen verfehlen. Wir erwarten eine Zusammenarbeit über den Aufenthalt hinaus, mit unseren Partnern, mit Bibliotheken – einfach um unser Netzwerk zu stärken.“ Und noch etwas ist ihr, der Weitgereisten, wichtig: „Wir müssen die eurozentristische Sicht auf Kunst hinter uns lassen, müssen unseren Blick verschieben und so offen wie möglich halten.“

Das, was auf Schwanenwerder entsteht, findet seine Würdigung aber nicht nur auf der Insel, sondern auch in der Ludwigkirchstraße 10 in Berlin-Wilmersdorf. Dort hat die Stiftung Räume gemietet, die Franziska Seifert als „No-Gallery“ bezeichnet. „Hier können unsere Künstlerinnen ausstellen. Wir beraten sie bei der Preisgestaltung, kaufen daraus hin und wieder auch Werke für unsere eigene Sammlung an. Was nicht verkauft wird, nehmen die Künstlerinnen mit in ihre Heimat.“ Drei Tage die Woche sind die Räume für Interessierte geöffnet; weitere Veranstaltungen sind geplant, darunter auch eine Reihe von Lesungen. Im August und September werden dort neue Installationen von Franziska Seifert zu sehen sein.

Text: Anke Bracht
Fotos: © Cordts Art Foundation
Datum: Juni 2023

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